Was kann eine Mathematikerin schon über Pflanzen sagen?

Wenn Sie sich einen Biologen oder eine Biologin vorstellen, wen haben Sie da im Kopf? Wenn Sie sich ein biologisches Labor vorstellen, was sehen Sie dann? Eine Werkbank, Flaschen, Schüttler, vielleicht große Zentrifugen? Weiße Kittel, viele Petrischalen, der Geruch von Bakterien und Einweghandschuhen? Nun, zumindest habe ich mir genau das vorgestellt als ich selbst Biologin wurde. Eine Biologin, der man diesen Namen tatsächlich häufig nicht zugesteht, da ich im Alltag keines der oben genannten Dinge benutze, sondern lediglich einen Computer. Sie sollten sich also fragen, was genau eine Mathematikerin Ihnen über Pflanzen erzählen kann.

Ein paar Worte zur Photosynthese

Vielleicht wissen Sie schon ein paar Dinge über Photosynthese. Durch eine Reihe von Reaktionen sind Pflanzen in der Lage, die aus Licht gewonnene Energie in chemische Energie umzuwandeln, die wiederum der Treibstoff für den pflanzlichen Stoffwechsel ist und eine Energiequelle für das Leben auf der Erde darstellt. Richtig? Aber haben Sie jemals etwas über sog. „State Transitions“ oder “nonphotochemical Quenching” gehört? Wussten Sie, das Pflanzen verschiedene ausgeklügelte Mechanismen aufgebaut haben, die es ihnen erlauben, trotz ständig wechselnder Umweltbedingungen die Photosyntheseeffizienz konstant zu halten? Wenn Pflanzen die Sonnenenergie fehlt, versuchen sie so viel wie möglich von dem zur Verfügung stehenden Licht aufzunehmen. Wenn aber die Sonnenstrahlung zu stark ist, “verschwenden” sie Energie durch Wärmeabgabe um sich selbst vor Schäden zu schützen.

Die Art wie photosynthetisch aktive Organismen darauf ausgelegt sind die Sonnenenergie zu nutzen fasziniert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Wenn wir nur die Vorgänge die an der Aufnahme und Umwandlung der Lichtenergie beteiligt sind besser verstehen könnten!

Um die biotechnologische Nutzung, z.B. für die Herstellung hochwertiger Produkte wie Kosmetika und Arzneimittel, zu optimieren, ist eindeutig ein genaues Verständnis darüber erforderlich was die Reaktionen der Pflanze beeinflusst. Dieses Verständnis, das nur durch die Kombination verschiedener wissenschaftlicher Ansätze erlangt werden kann, wird es ermöglichen, die Rate des Energieverlusts zu beurteilen, zu quantifizieren und vielleicht sogar zu minimieren. Meine Methode der Wahl um diese intrinsischen Mechanismen zu erforschen sind Mathematische Modelle.

Das Model als Vereinfachung der Realität

Sinnvoll konstruierte mathematische Modelle sind ein mächtiges Werkzeug um organisatorische Prinzipien, die biologische Systeme steuern, zu entschlüsseln. Sie können verschiedenste Formen annehmen, je nachdem welche Fragestellung zugrunde gelegt wird, sie werden jedoch immer ein vereinfachtes Bild der Realität darstellen (Abb. 1). Sie können die Komplexität reduzieren, indem sie z.B. nur Reaktionen betrachten, die sehr schnell ablaufen (in Sekunden, wie Ladungstrennung) oder nur diejenigen die ganze Jahrzehnte dauern (wie bei der Evolution). Sie können nur einen Prozess verdeutlichen oder aber ein ganzes Netzwerk. Die wahre Herausforderung liegt darin, das Modell auf eine minimale Anzahl an Reaktionen zu reduzieren, die aber ausreicht um das eigentliche System zu erforschen.
Aus diesem Grund ähnelt das Modell, das ich gerade entwickle, von der Struktur her einer Konstruktion aus Lego-Steinen, welche je nach Fragestellung vergrößert oder verkleinert werden kann.

Ein Modell bauen ist wie mit Legosteinen spielen

Nach unserem bisherigen Verständnis der Photosynthese können wir die einzelnen Vorgänge in zwei Bereiche aufteilen, die Reaktionen, die mit der Absorption von Licht beginnen und mit der Herstellung von ATP enden (häufig als Lichtreaktionen bezeichnet), und die Reaktionen, bei denen die Energie aus ATP und Reduktionsäquivalenten verwendet wird, um über die Kohlenstofffixierung Zucker, also Energie herzustellen.

Um ein genaues Modell aufzustellen, aus dem wir ablesen können, wie Änderungen in der Lichtenergie die Photosyntheseeffizienz im Bezug auf die Herstellung von Biomasse beeinflussen, beginnen wir deswegen sehr klein, indem wir zunächst betrachten, wie das Licht absorbiert wird und zu ATP und NADPH umgewandelt wird. Wir begrenzen die Zeitskala auf Reaktionen, die in Sekunden bis Minuten ablaufen, den Ort auf Reaktionen, die in der Thylakoidmembran (im Chloroplasten) ablaufen, und damit limitiert sich die Anzahl der Unbekannten auf 6 (Basis Modell aus Ebenhöh et al. 2014). Dieses einfache Modell wird uns schon ein paar Einblicke geben wie das System funktioniert, wird aber keine Erkenntnisse über photoprotektive Mechanismen vermitteln, weil diese nicht im Modell enthalten sind. Dafür können wir kleine zusätzliche Gleichungen konstruieren, welche die Mechanismen widerspiegeln, die für die optimale Energieverteilung verantwortlich sind (sogenannte “State Transitions“), unsere Parameter erweitern (wir müssen auch wissen, wie schnell manche Reaktionen ablaufen) und die Anzahl der Variablen ändern. In ähnlicher Weise können wir weiter kleine Bausteine hinzufügen und so detailliertere Prozesse mit einbeziehen oder irrelevante entfernen und letztendlich die Lichtreaktionen mit der Kohlenstofffixierung kombinieren.

Wenn “der Turm“ erst mal steht, kann man beliebig mit den verschiedenen Kombinationen spielen: Einfluss von Lichtüberschuss auf Pflanzen, denen die Gene fehlen um Wärmeenergie abzustrahlen: den roten Baustein wegnehmen. Untersuchen, wie die Pflanze die Zuckerproduktion verändert, wenn wir ihre Fähigkeit zur Lichtverteilung erhöhen: Parameter im grünen Baustein wegnehmen. Den gleichen Vorgang in Pflanzen untersuchen, die effizienter Kohlenstoff fixieren können: den dunkelgrünen Baustein gegen einen anderen austauschen.

Meine Arbeit wird gefördert vom Marie Curie iTN Accliphot der Europäischen Kommission im Rahmen des 7. Rahmenprogramms (SP3-People) mit der Fördernummer PITN-GA-2012-316427.

Beitrag von Anna Matuszyńska, Institut für Quantitative und Theoretische Biologie, HHU

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Planter’s Punch

Unter der Rubrik Planter’s Punch wird jeden Monat ein bestimmter Aspekt des CEPLAS Forschungsprogramms vorgestellt. Alle Beiträge werden von Mitgliedern der Graduiertenschule und des Postdoc Programms erstellt.

Zugehörige Publikationen

A. Matuszyńska, O. Ebenhöh, A reductionist approach to model photosynthetic self-regulation in eukaryotes in response to light. Biochemical Society transactions 43, 1133-1139 (2015); published online EpubDec 1 (10.1042/BST20150136). [Abstract]

Ebenhöh O, Fucile G, Finazzi G, Rochaix JD, Goldschmidt-Clermont M (2014) Short-term acclimation of the photosynthetic electron transfer chain to changing light: a mathematical model. Philosophical transactions of the Royal Society of London. Series B, Biological sciences 369(1640):20130223. [Abstract]