Wie Pflanzen das Gemeinschaftsleben von Mikroorganismen beeinflussen

1. Willkommen in der Welt des Pflanzenmikrobioms

Die Pflanze stellt bei der Betrachtung unter dem Mikroskop ein hochkomplexes Ökosystem dar. Das Pflanzengewebe schafft eine Umgebung für die Besiedlung durch eine Vielzahl von Mikroorganismen. Zu diesen pflanzenassoziierten Mikroorganismen, dem sogenannten Mikrobiom, gehören Bakterien, Pilze, Protisten, Algen, sowie verschiedene Nematoden und Viren.

In der Tat sind die Mikroorganismen nicht immer schädlich für ihren Pflanzenwirt, so wie es Krankheitserreger sind. Die Verbindung zwischen Pflanze und mikrobieller Gemeinschaft kann ein sehr wichtiger unterstützender Faktor für die Pflanzengesundheit sein. Zum Beispiel können die Mikroben an der Pflanzenwurzel den Zugang der Wurzelzellen zu Nährstoffen fördern, und einige Pflanzenwurzelbakterien können auch der Auslöser dafür sein, dass die Pflanze resistent gegen die Krankheitserreger wird.

Mit modernen Sequenzierungstechnologien können wir nun das Erbgut des gesamten pflanzlichen Mikrobioms analysieren. Analysiert man das Vorkommen der Mikroorganismen zeigt sich, dass Bakterien und Pilze im Vergleich zu anderen Gruppen überwiegen. Darüber hinaus haben viele Studien gezeigt, dass es eine Untergruppe, das "Kern-Mikrobiom" gibt, das Mitglieder wichtiger Arten enthält und repräsentativ für das Mikrobiom sein kann. Mitglieder aus dem Kern-Mikrobiom sind beständig und spielen möglicherweise eine wichtige Rolle für die Aufgaben und die Gesundheit der Pflanzen.

Interessanterweise zeigten viele Untersuchungen, dass die Zusammensetzung einer solchen mikrobiellen Kerngemeinschaft in verschiedenen Teilen der Pflanze (in den Blättern (Phyllosphäre), im Innern der Pflanze (Endosphäre), im Wurzelraum (Rhizosphäre)) variiert, was die Rolle der mikrobiellen Gemeinschaft und die physiologischen Funktionen der Pflanze miteinander verbindet. Zum Beispiel hat die Phyllosphäre, die die gesamte oberirdische Fläche der Pflanze umfasst, eine höhere Anzahl von Bakterien auf dem Blatt, welche die Photosynthese der Pflanze unterstützen (sogenannte anoxygene Bakterien). Wie wird die Zusammensetzung der Gemeinschaft geformt und bestimmt? Was ist der verborgene Antrieb hinter solchen Phänomenen?

 

2. Handel und Krieg im Mikrobiom

Das pflanzliche Mikrobiom ist eine riesige Gesellschaft für alle Mitglieder im System, Millionen von Interaktionen finden zu jeder Zeit untereinander statt und sind ein unverzichtbarer Teil während des Aufbaus der mikrobiellen Gemeinschaft. Selbst für das einfachere Kern-Mikrobiom kann man ein komplexes Interaktionsnetzwerk aufbauen.

Grundsätzlich gibt es zwei Haupttypen von Interaktionen, die im System stattfinden. Wie in allen Ökologischen Systemen, leben auch im Mikrobiom verschiedene mikrobielle Arten zusammen, wobei sie vielen Formen von "diplomatischen Beziehungen“ folgen. Einige Arten konkurrieren um Ressourcen aus der Umgebung, während andere sich gegenseitig unterstützen können. Während sich das Mikrobiom der Pflanze zusammenfindet, verändern sich unter solchen “diplomatischen“ Regeln auch die Populationen der unterschiedlichen Mikroben auf dynamische Art und Weise.

In Anwesenheit eines pflanzlichen Wirtes können die Wechselwirkungen zwischen der Pflanze und den Mikroorganismen die Gestaltung des Mikrobioms direkt beeinflussen. Tatsächlich führt der enge Kontakt zwischen Pflanzenzellen und Mikroorganismen zu einer Reihe komplexer chemischer Austauschvorgänge. Nehmen wir die Bakterien als Beispiel: Sie werden mit organischen Verbindungen gefüttert, die aus den Pflanzenzellen diffundierten. Diese organischen Verbindungen, wie z. B. Zucker und Aminosäuren, gelangen in die Stoffwechselnetzwerke der Bakterienzellen. Im Gegenzug können die anorganischen Verbindungen (Kohlendioxid, Nitrate usw.), die durch den bakteriellen Stoffwechsel produziert werden, an die Pflanze zurückgegeben werden, um ihr die benötigte Nahrung zu liefern - ein einfaches, aber effektives Geschäftsmodell.

 

3. Weil 'Essen zählt'

Manchmal können wir uns im Alltag nicht entscheiden, was wir essen sollen. Wenn viele verschiedene Essens-Arten zur Auswahl stehen, kann uns die Entscheidung, was wir essen möchten, schon manchmal Kopfzerbrechen bereiten. Wir sind uns jedoch zweifellos darüber im Klaren, dass wir unsere Essensvorlieben haben, auch wenn wir vielleicht nicht einmal gut erklären können, warum. Viele Anthropologen haben diese Vorliebe auf unterschiedliche Faktoren zurückgeführt, wie z. B. Kultur, Religion, Geographie oder sogar Abstammung.

Ähnliches könnte auch auf Mikroben zutreffen, wenn sie eine Vielzahl von organischen Verbindungen aus Pflanzenzellen zur Verfügung gestellt bekommen. Wie die verschiedenen ethnischen Gruppen in unserer Gesellschaft, könnte jede Gruppe von Mikroorganismen so etwas wie eine "Nahrungspräferenz" haben. Natürlich müssten die Mikroben glücklich und zufrieden wachsen, wenn sie ihre bevorzugten organischen Stoffwechselprodukte erhalten, und kaum wachsen, wenn sie in der Umgebung keine Nahrung finden, die ihnen zusagt. Im Labor können wir darüber Rückschlüsse ziehen, indem wir das Bakterienwachstum in Nährmedien messen, denen bestimmte organische Verbindungen zugesetzt wurden. Die Art und Weise, wie die Bakterien wachsen, kann quantitativ bestimmt werden, um das „Lieblingsessen“ der Bakterien erfassen zu können, bevor wir die Wechselwirkungen in dem komplexen System weiter untersuchen.

 

4. Ein rein synthetischer Ansatz

Glücklicherweise gibt es viele nützliche Werkzeuge, die uns helfen, Vorhersagen über den Aufbau des pflanzlichen Mikrobioms zu treffen. Mithilfe der mathematischen Modellierung lassen sich komplexe biologische Prozesse vorhersagen und erklären, zum Beispiel eines der Tools, das als generalisiertes Lotka-Volterra-Modell (gLV) bezeichnet wird. Das Modell enthält Informationen, die beschreiben, wie die Interaktionen zwischen den Arten und die mit der Umwelt verbundenen Faktoren das Populationswachstum für jede einzelne Art ändern könnten, und konnte somit die Dynamik der gesamten Gemeinschaft vorhersagen. Die Wechselwirkungen zwischen den Arten können leicht in einem Ökosystem mit mehreren Arten gefunden werden, obwohl sie normalerweise in verschiedenen Formen (Wettbewerb, Zusammenarbeit usw.) auftreten, um das System viel komplexer zu machen. Gleichzeitig können die aus der Wirtspflanze produzierten organischen Metaboliten als Umweltfaktoren angesehen werden, die das Wachstum von Mikroben aus der Gemeinschaft regulieren. Aufgrund der unterschiedlichen „Nahrungspräferenzen“ kommen Pflanzenmetaboliten den Mikroben unterschiedlich zugute, während Wechselwirkungen zwischen Arten die Struktur der mikrobiellen Gemeinschaft weiter prägen.

In diesem Forschungsprojekt wollen wir eine komplett synthetische Methode verwenden, um zu überprüfen, ob die Hypothese, die wir aus unserem Modell abgeleitet haben, korrekt ist. Mit anderen Worten, wir versuchen derzeit, ein gut reproduzierbares "minimiertes" Mikrobiom-System aufzubauen, mit dem wir Hypothesen experimentell überprüfen können. Das minimierte System sollte die geringstmögliche Anzahl von Mikrobengruppen (Kern-Mikrobiom) und die geringstmögliche Anzahl an Metaboliten enthalten, die zwischen Pflanzen und Mikroben ausgetauscht werden (Kern-Stoffwechsel). Noch wichtiger ist, dass das System auch ähnlich funktioniert wie das natürliche System. Darüber hinaus verwenden wir Algen (Chlamydomonas) als "minimiertes" Pflanzenmaterial anstelle von Landpflanzen wie Arabidopsis thaliana, da Algen im Vergleich zu vegetativen Pflanzen besser für Hochdurchsatz-Experimente geeignet sind, während sie eine ähnliche Mikroumgebung für die mikrobielle Besiedlung bieten können. Mit Hilfe dieser synthetischen Methode können wir nicht nur simulieren, wie das pflanzliche Mikrobiom unter natürlichen Bedingungen bestimmt wird, sondern dies auch unter veränderten Bedingungen testen, welche mit dem Pflanzenwachstum, der Abwehr und Stressreaktion in Verbindung gebracht werden können.

 

Der Text wurde von Dr. Kathrin Wippel Korrektur gelesen.

Der originale Text ist in englischer Sprache und wurde für die deutsche Version übersetzt.

Planter’s Punch

Unter der Rubrik Planter’s Punch wird jeden Monat ein bestimmter Aspekt des CEPLAS Forschungsprogramms vorgestellt. Alle Beiträge werden von Mitgliedern der Graduiertenschule und des Postdoc Programms erstellt.

Über den Autor

Jia Yu gehört seit 2020 zur CEPLAS Research Area 4 und ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe für „Interactive Bioinformatics“ (Rubén Garrido-Oter), am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung (MPIPZ). Das wichtigste Ziel des Forschungsprojekts ist es, die Dynamik des pflanzlichen Mikrobiom-Aufbaus mit Methoden der synthetischen Biologie und mathematischer Modellierung zu analysieren. Bevor er zu CEPLAS kam, arbeitete er im Rahmen seiner Promotion mit Dr. Patrick Gallois an der „University of Manchester“ an der Entwicklung von Modellen zur Vorhersage des stressinduzierten regulierten Zelltods.