Europäischer Gerichtshof fällt Urteil zur Einordnung der Genom-Editierung bei Pflanzen

27/07/2018

„Aus Sicht eines Pflanzenwissenschaftlers ist dieses Urteil nicht nachvollziehbar!"

Gestern fiel das mit Spannung erwartete Urteil des Europäischen Gerichtshofs über die rechtliche Einordnung von Genome Editing Verfahren in der Pflanzenzüchtung.

Der Europäische Gerichtshof kam gestern zu dem Urteil, dass (Zitat) ... „durch Mutagenese gewonnene Organismen GVO im Sinne der GVO-Richtlinie sind, da durch die Verfahren und Methoden der Mutagenese eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung am genetischen Material eines Organismus vorgenommen wird.“

Somit gilt die bisherige GVO Richtlinie auch (Zitat) ... „für die mit Mutagenese-Verfahren, die nach dem Erlass der Richtlinie entstanden sind, gewonnenen Organismen.“ (Anm. : gemeint sind die neuen Methoden der Genom-Editierung).
Das Gericht bestätige zudem die geltende „Mutagenese Ausnahme“, durch die Züchtungsverfahren, bei denen die Mutagenese chemisch oder durch Strahlung erfolgt, von der GVO Richtlinie ausgenommen werden. Begründet wird diese Ausnahme damit, dass diese Verfahren (Zitat) ... „seit langem als sicher gelten.“

Das Urteil kam für die Öffentlichkeit und viele Pflanzenwissenschaftler*innen überraschend, da es sowohl dem im Februar vom Generalanwalt des EuGH vorgelegten Schlussantrag, als auch dem Stand der Wissenschaft widerspricht.

Darüber hinaus argumentieren Wissenschaftler*innen und Wissenschaftler, dass natürlich entstandene genetische Varianten und durch Genome Editing erzeugte Pflanzen ununterscheidbar seien. Genom-editierte Pflanzen seien wesentlich sicherer als durch chemische Mutagenese erzeugte Linien, da letztere sehr viel mehr Mutationen mit unbekannten Auswirkungen tragen.
Weiterhin sei die Aussage, dass (Zitat) ... „durch die Verfahren und Methoden der Mutagenese eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung am genetischen Material eines Organismus vorgenommen wird“ schlichtweg falsch.

Verschiedene führende und unabhängige Wissenschaftsorganisationen darunter die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) und der „European Academies’ Science Advisory Council“ hatten sich in der Vergangenheit ebenfalls deutlich gegen eine pauschale Einordnung der neuen Züchtungsmethoden als GVO ausgesprochen.

Auch wir sind der Meinung, dass spezifische Regelungen für die Nutzung der Genom-Editierung angebracht sind. Gezielte Sequenzänderungen, innerhalb des Spektrums an Sequenzvariationen innerhalb einer Art, sind etwas grundsätzlich anderes, als das Einfügen eines bakteriellen Gens in die Pflanze und brauchen daher auch grundsätzlich andere Regelungen.


CEPLAS Sprecher Andreas Weber hierzu: „Aus Sicht eines Pflanzenwissenschaftlers ist dieses Urteil nicht nachvollziehbar und nicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse begründbar. Es zeigt sich, dass die mehr als 20 Jahre alte Gesetzgebung zu GVOs weder dem Stand des Wissens entspricht, noch den Entwicklungen im Landwirtschaftssektor Rechnung trägt. Eine Novellierung der Gesetzgebung ist dringend angezeigt.


CEPLAS Mitglied und Alexander von Humboldt Professor Wolf B. Frommer formuliert seine Meinung zum Urteil deutlich schärfer:
Wir verstehen, das Genom-Editierung im Menschen sicher sein muss und dass eventuelle Risiken, z.B. zu große Mutationen, Schaden anrichten können.
In der molekularen Pflanzenzüchtung ist dies nicht relevant, man nimmt nur diejenigen Pflanzen, die genau die Mutation tragen, die man haben will. Und die unterscheidet sich nur in einer oder wenigen Basen. Wenn man mir genug Geld gibt, finde ich die gleiche Mutation auf dem Feld. Und selbst ein intelligentes Kind versteht, dass mehr Mutationen, wie durch Mutagene erzeugt, eher problematisch sein können als gezielt eine Mutation einzuführen. Der Gerichtshof hat es sich entweder einfach gemacht, oder hatte Angst vor der Öffentlichkeit. Genom-Editierung braucht klare Richtlinien, aber auf einer ganz anderen Ebene als sie einfach unter das Gentechnikgesetz zu schieben.

 

Die Folgen des Urteils, sowie die Methode an sich und deren Perspektiven werden wir bei einer öffentlichen Veranstaltung am 30. Oktober in Düsseldorf näher diskutieren. Gäste sind herzlich eingeladen!