Warum die Forschung an Gerste nicht nur unser Bier verbessern kann

 

Gerste ist als Futtermittel und als Rohstoff für verarbeitete Lebensmittel bekannt, aber die vielleicht beliebteste Verwendung ist im Bier. Gerste gehört zu den zehn wichtigsten Kulturpflanzen in Bezug auf Produktion und Wert, und Europa ist einer der Haupterzeuger weltweit. Historisch gesehen war Gerste eine wichtige Getreidequelle für den menschlichen Verzehr. Es wird angenommen, dass Gerste vor etwa 11.000 Jahren die erste domestizierte Kulturpflanze war. Zum Vergleich: Mais wurde vor 10.000 Jahren domestiziert. Heutzutage findet man in Ägypten wunderschöne, in Stein gehauene Gerstenähren aus der Zeit vor 3.000 Jahren oder sumerische Proto-Keilschrift-Tontafeln, die die Verbreitung der Gerste in Mesopotamien dokumentieren, nur um zu verdeutlichen, wie lange die Gerste schon von wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung für die Menschheit ist.

 

 

In den letzten Jahren hat sich die Gerste als biologisches Modell für Getreidekulturen durchgesetzt. Das macht Sinn, wenn man bedenkt, dass Gerste eng mit Weizen verwandt ist. Sie können sogar gekreuzt werden, um fruchtbare Nachkommen zu erzeugen, was nur bei Kreuzungen zwischen Individuen derselben Art oder sehr eng verwandten Arten möglich ist. Und in der Tat haben viele Getreidearten bestimmte Merkmale gemeinsam: Wenn man sich die frühe Entwicklungsphase ansieht, sehen sie sich recht ähnlich. Aber wie kommt es, dass die Maisähren oder die Gerstenähren der reifen Pflanzen so unterschiedlich aussehen?

 

Die Ähren der Getreidepflanzen sind ein Blütenarrangement oder Blütenstand, dessen Ursprung bei allen Landpflanzen "das Meristem" ist. Meristeme sind Gruppen von Zellen, die sich teilen, um Zellen für die Bildung neuer Organe zu bilden. Wenn man nach dem Entfernen der Blätter in der Triebspitze eines beliebigen Keimlings genau hinsieht, kann man in der Mitte genau erkennen, woher alle Blätter stammen. Im Gegensatz zu Tieren, bei denen die Organe bereits in der Embryonalphase angelegt werden, haben Pflanzen dank der Meristeme die Fähigkeit, während ihres gesamten Lebens neue Organe zu bilden. Die Geschwindigkeit der Zellteilung und die Entscheidungen, wann und wo ein neues Organ (Blatt, Zweig, Blüte) gebildet werden soll, die in dieser Zellgruppe getroffen werden, bestimmen die Morphologie der Pflanze. Im Allgemeinen sind die Meristeme streng reguliert, und die Wachstumsbedingungen können die endgültige Form oder "Architektur" der Pflanze beeinflussen. Betrachtet man jedoch die Morphologie von Gräsern (wie Mais, Hafer, Roggen, Gerste, Reis und Weizen), die unter "normalen" Bedingungen gewachsen sind, so findet man als Ergebnis der im Meristem getroffenen Entscheidungen dennoch ein vielfältiges Muster von Blütenanordnungen. Wenn wir verstehen, wie diese unterschiedlichen Muster durch pflanzliche Regulationsnetzwerke gesteuert werden, haben wir die Grundlage, die Pflanzenarchitektur zu beeinflussen, um höhere Getreideerträge zu erzielen.

 

Roggen               Hafer            Weizen         Gerste         Mais

 

Die Gerste könnte den Schlüssel zum Verständnis der Variation bei Pflanzen- und Blütenständen bei Getreide liefern, da während der Domestizierung auf andere Merkmale selektiert wurde als beispielsweise bei Mais. Ein auffälliges Merkmal sind die Verzweigungen: Bei Mais wurde dieses Merkmal genau entgegengesetzt selektiert, um den Haupttrieb zu erhalten, der die Kolben trägt, während bei Gerste und Weizen die Verzweigung erwünscht ist, um die Anzahl der Halme mit Ähren zu erhöhen. Andererseits trägt die Ähre etwa 60 Körner und der Maiskolben etwa 500 Körner. Glücklicherweise werden die molekularen Techniken zur Untersuchung dieser Prozesse in Gerste entwickelt, einem biologischen Modell mit einfacheren Wachstumsbedingungen und geringerer Genomkomplexität im Vergleich zu Mais und Weizen.

Bei CEPLAS sind wir daran interessiert, die wichtigsten Regulatoren zu identifizieren, die die Ährenentwicklung bei Gerste steuern. Wenn wir diese verstehen, können wir die Entwicklungsentscheidungen, die zu einer Steigerung des Kornertrags führen würden, genauer aufeinander abstimmen. Darüber hinaus können die am Modell der Gerste gewonnenen Erkenntnisse interessante biologische Fragen beantworten, zum Beispiel wie die Architektur der Blütenstände von Gräsern durch die Meristeme geformt wird.

Der Originaltext ist in englischer Sprache und wurde für die deutsche Version übersetzt.

 

Planter’s Punch

Unter der Rubrik Planter’s Punch wird jeden Monat ein bestimmter Aspekt des CEPLAS-Forschungsprogramms vorgestellt. Alle Beiträge werden von Mitgliedern der Graduiertenschule und des Postdoc-Programms erstellt.

Über den Autor

Edgar Demesa-Arevalo ist Postdoc in den Gruppen von Prof. Rüdiger Simon und Prof. Maria von Korff Schmising am Institut für Entwicklungsgenetik, bzw. am Institut für Pflanzengenetik, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sein Forschungsschwerpunkt ist das Verständnis der molekularen Grundlagen der Blütenstandsentwicklung bei Gerste. Er promovierte am CINVESTAV-Irapuato in Mexiko und untersuchte die Signalübertragung während der Gametophytenbildung in Arabidopsis. Bevor er zu CEPLAS kam, forschte er am Cold Spring Harbor Laboratory in den USA an der Entwicklung des Blütenstandsmeristems bei Mais.