Über Rubisco, den stotternden Motor der Photosynthese

Unter Photosynthese verstehen wir einen einzigartigen Prozess, mit dem Pflanzen Kohlendioxid und Sonnenlicht in Energieund Zucker umwandeln. Die meisten Pflanzen betreiben dabei die sogenannte C3-Photosynthese. Doch diese ist anfällig für Luftsauerstoff, der die Umsetzung von Kohlendioxid hindert und zur Produktion eines für die Pflanze giftigen Stoffes führt. Um zu verstehen, wie wir die Pflanze weniger anfällig für diese „Verwechslung“ machen können, müssen wir die evolutionären Mechanismen erforschen, die die Photosynthese geformt haben.

Evolution und ein Automotor

Wie wird ein Auto gebaut? Vermutlich sitzen ein paar

Ingenieure und Ingenieurinnen um einen Tisch und diskutieren über die Entwicklung eines neuen Motors. Sie sammeln Daten, formulieren Spezifikationen und simulieren, wie sich jedes Teil des neuen Motors verhalten wird.

Doch wie würde die Natur solch einen neuen Motor konzipieren? Die treibenden Kräfte  der Evolution, Mutation und Selektion, wirken über gigantische Zeitskalen von Milliarden Jahren. Die Evolution würden jeden Teil des Motors zufällig zusammensetzen und dabei eher auf bereits verfügbare Bauteile zurückgreifen, anstatt ein komplett neues zu erschaffen. Die verbesserten Bauteile verbaut die Natur dann zufällig zu einem neuen Motor. Wenn das Resultat ein nicht funktionstüchtiger Haufen Metall ist, wird er verworfen und die Evolution beginnt von vorne. Wenn jedoch ein Motor entsteht, der den Anforderungen standhält, wird dieser für weitere (zufällige) Veränderungen verwendet.

Natürlich sind die meisten Mechanismen, die die Natur hervorbringt, weit komplexer als ein Automotor, sie entstanden immerhin über Milliarden Jahre zufälligen Zusammenbaus. Es liegt nun nahe, dass die Evolution eher eine konservierende Kraft ist, die mehr auf Hinlänglichkeit als auf Perfektion getrimmt ist. Drastische, neue Phänomene und Mechanismen sind weniger wahrscheinlich, als kleine, progressive Änderungen an einem Mechanismus. Die Evolution entwickelt keinen neuen Motor, der bereits für die Autokollektion im neuen Jahr verfügbar ist. Die Evolution entwickelt Schraube für Schraube neu, langsam und beständig.

Rubisco und Sauerstoff -  stottert der Motor der Pflanze?

Tauchen wir ab in die Welt der Pflanzenbiologie: In der Photosynthese der Pflanze finden wir ein Beispiel dafür, wie die Evolution zu eher „ausreichenden“ als „perfekten“ Resultaten führt. Das Enzym Rubisco (kurz für Ribulose-1,5-bisphosphat-carboxylase-oxygenase) ist für die Fixierung, also die chemische Bindung von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre zuständig. Rubisco ist die Kurbelwelle der Photosynthese, ein enorm wichtiges Molekül und das vermutlich häufigste Enzym der Erde. Dennoch leidet Rubisco an ein paar „Designfehlern“. Die Hauptaufgabe von Rubisco ist die Bindung von atmosphärischem Kohlendioxid, um energiereiche Moleküle wie Glucose aufzubauen. Leider verwechselt Rubisco bei jeder fünften Reaktion Kohlendioxid mit Sauerstoff und verwendet letzteres in seinem Reaktionszyklus. Die Verwechslung von Sauerstoff mit Kohlendioxid wird als Oxygenasereaktion bezeichnet und führt zur Produktion von Substanzen, die höchst giftig für die Pflanze sind. Diese Substanzen muss die Pflanze unter hohem Energieaufwand entgiften. Um die Fehlerrate von Rubisco gering zu halten, arbeitet Rubisco extrem langsam und setzt nur 1-10 Moleküle Kohlendioxid pro Sekunde um. Der Motor der Photosynthese klappert und stottert.

Die frühe Erde – der Geburtsort von Rubisco

Warum ist Rubisco so fehleranfällig? Warum hat die Natur nicht korrigierend eingegriffen, und Rubisco ausselektiert? Um die Antworten auf diese Fragen zu finden, müssen wir weit in der Erdgeschichte zurückreisen. Vor 3 Milliarden Jahren schlug die Geburtsstunde von Rubisco. Die frühe Erde glich zu dieser Zeit kaum der Erde, die wir heute kennen. Mit einer bis zu 600 -fach höheren Konzentration an Kohlendioxid, die zu diesem Zeitpunkt vorlag, kam Rubisco deutlich seltener in Kontakt zu Sauerstoff, die Verwechslung von Sauerstoff und Kohlendioxid spielte praktisch keine Rolle. In dieser Umgebung formte die Evolution Rubisco so, dass es an die Bedingungen der frühen Erde angepasst war. Mit dem Auftreten der sauerstoffproduzierenden Landpflanzen, stiegt der Anteil an Sauerstoff in der Atmosphäre jedoch auf die 21 %, die wir heute  kennen. Die heutigen Landpflanzen investieren viel Energie in den Prozess der Entgiftung, der die schädlichen Substanzen der Oxygenase-Reaktion von Rubisco verwertet. Dieser Effekt wird gerade in heißen und trockenen Klimabedingungen bedeutsam, wo die Pflanzen ihre Blattöffnungen schließen und die Kohlendioxidspiegel im Blatt stark absinken.

Die Evolution hat manche Pflanzen mit neuen, verbesserten photosynthetischen Motoren ausgestattet, die dem Designfehler von Rubisco entgegenwirken. Diese Pflanzenarten bezeichnen wir als C4- und CAM-Pflanzen.

 

C4-Pflanzen – mit Teamwork zu verbesserter Photosynthese

C4-Pflanzen teilen die Kohlendioxidfixierung auf zwei Zelltypen auf: in den Mesophyllzellen wird das CO2 „vorfixiert“, also an einen Zucker aus vier Kohlenstoffatomen gebunden. Dieses Molekül, das der C4 Photosynthese auch ihren Namen gibt, wird dann in die benachbarten Bündelscheidenzellen transportiert, wo Rubisco aktiv ist. Das C4-Molekül wird hier vom Kohlendioxid befreit, wodurch der Kohlendioxidspiegel in den Bündelscheidenzellen stark ansteigt. Dadurch ist es viel wahrscheinlicher, dass Rubisco mit Kohlendioxid anstatt Sauerstoff reagiert und es wird weniger giftiges Nebenprodukt gebildet.

Die Mechanismen der C4-Photosynthese sind sehr komplex. Die Evolution dieser „Turboform“ der Photosynthese benötigt eine große Umstellung der pflanzlichen Anatomie, und des pflanzlichen Stoffwechsels. Nur wenige Pflanzen haben diese effizientere Photosyntheseform entwickelt. Wichtige Kulturpflanzen wie Reis, Weizen und die Kartoffel betreiben hingegen die weniger effiziente C3-Photosynthese.

 

Bei CEPLAS versuchen wir, die Entwicklung der C4 Photosynthese zu rekonstruieren. Wenn wir verstehen, wie die Natur den Motor der Photosynthese verbessern konnte, können wir selbst, wie Ingenieure und Ingenieurinnen am Reißbrett, einzelne Bauteile dieses Motors gestalten und Kulturpflanzen effizienter machen. Tiefe, mechanistische Einblicke in die Evolution der C4-Mechanismen werden uns helfen, Kulturpflanzen für die Herausforderungen von morgen - wie Hitze, Dürre und der Mangel an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche - zu wappnen.

 

Die Illustrationen für diesen Planter’s Punch stammen von Romana Yañez (twitter: @rjryanez, instagram: @_by_nena_). 

Planter’s Punch

Unter der Rubrik Planter’s Punch wird jeden Monat ein bestimmter Aspekt des CEPLAS Forschungsprogramms vorgestellt. Alle Beiträge werden von Mitgliedern der Graduiertenschule und des Postdoc Programms erstellt.

Über den Autor

Sebastian Triesch ist Biochemiker und Mitglied der CEPLAS Graduiertenschule. 

Illustration: Romana Yañez ist Doktorandin im Bereich Molekularbiologie der Pflanzen am Instituto Gulbenkian de Ciência, Portugal und Illustratorin in ihrer freien Zeit.