Zwei starke Partner finden zusammen

CEPLAS und das IPK Leibniz-Institut werden künftig eng kooperieren, um durch die Kombination ihrer Expertisen und Ressourcen eine neue Qualität der Pflanzenforschung mit zu gestalten.  Was sind die ersten Projekte? Welche Herausforderungen müssen gemeistert werden? Und was macht die Kooperation so einmalig? Im Interview äußern sich dazu Prof. Dr. Andreas Graner, Geschäftsführender Direktor des IPK, und Prof. Dr. Andreas Weber, Sprecher des Exzellenzclusters.

Wie ist die Idee zu einer Kooperation zwischen CEPLAS und IPK entstanden?

Andreas Graner: Das CEPLAS Cluster hat sich im Rahmen der Exzellenzinitiative schon mit großem Erfolg als feste Größe in der nationalen und internationalen Pflanzenforschung etabliert. Daher lag es für uns alle auf der Hand, dass zwei so profilierte Protagonisten in der Pflanzenforschung, wie CEPLAS und das IPK, in einem zweiten Schritt Schnittstellen für eine Zusammenarbeit identifizieren und komplementäre Kompetenzen zusammenführen. So können wir die Pflanzenforschung insgesamt stärken und weiter voranbringen.

 

Hat es eine Kooperation in dieser Form überhaupt schon einmal gegeben? Und welche Bedeutung hat das Projekt für den Forschungsstandort Deutschland?   
 

Andreas Weber: Nein, eine derartige Kooperation im Bereich der molekularen Pflanzenforschung hat es meines Wissens in Deutschland noch nicht gegeben. Das Besondere daran ist, dass wir drei Forschungseinrichtungen aus der Leibniz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft sowie der Helmholtz-Gemeinschaft und zwei Universitäten zusammenbringen. Wir hoffen dabei, dass diese Kooperation auch auf den gesamten Forschungsstandort Deutschland ausstrahlt.

Das klingt so, als bestehe Handlungsbedarf.

Andreas Weber: Ja, das stimmt. Wir müssen schon schauen, dass wir international weiter konkurrenzfähig bleiben. In Ländern wie den USA wird viel strategischer gedacht, und in China fließt deutlich mehr Geld in die Pflanzenforschung als hierzulande. 

 

Was bringt das IPK in die Kooperation ein? Und welche Erwartungen verknüpfen Sie persönlich, aber auch als Institut, mit der geplanten Zusammenarbeit?

Andreas Graner: Wir bringen mit der Bundeszentralen Ex-situ-Genbank und unseren Phänotypisierungs-Plattformen wichtige Forschungsinfrastrukturen in die Kooperation ein. Hinzu kommt umfangreiche Expertise im Bereich der Genomforschung und der molekularen Pflanzenphysiologie. Aber natürlich ist das keine Einbahnstraße: Wir profitieren umgekehrt von der bei CEPLAS aufgebauten Expertise auf den Gebieten der Photosynthese- und der Mikrobiomforschung sowie der Zusammenarbeit mit dem am CEPLAS etablierten Graduiertenprogramm.

 

Was versprechen Sie sich von der Zusammenarbeit mit dem IPK? Und wie kann CEPLAS davon profitieren?

Andreas Weber: Beide Partner haben überlappende Interessen und ergänzen sich gut. Ziel ist es, einen möglichst ganzheitlichen Blick auf die Pflanzen zu bekommen. Und da machen wir mit der jetzigen Kooperation einen großen Schritt.

 

Was werden die ersten konkreten Schritte und Projekte sein?

Andreas Graner: In dieser Woche läuft die von CEPLAS initiierte Summer School, an der erstmals Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IPK teilnehmen. Im September besucht eine CEPLAS-Delegation das IPK in Gatersleben und wir arbeiten noch an einem Positionspapier, das im Herbst anlässlich eines geplanten Policy-Workshops vorgestellt werden soll. Darüber hinaus gibt es bereits einige Themen, die ab dem Herbst 2022 im Rahmen von fünf gemeinsam betreuten Doktorarbeiten bearbeitet werden.

 

Gibt es einen konkreten Start für die Kooperation? Und auf welchen Zeitraum ist die Zusammenarbeit angelegt? 

Andreas Weber: Die Präsentation des Positionspapieres im Herbst markiert für uns den offiziellen Start der Kooperation. Damit legen wir die Basis für die Zusammenarbeit, die schon auf einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren angelegt sein sollte. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit an Dynamik gewinnen wird.  

 

Wie wird die Kooperation finanziert?

Andreas Graner: Gegenwärtig wird die Kooperation ausschließlich durch Bordmittel getragen. Für die Zukunft streben wir aber auch die Einwerbung von Drittmitteln an.

Andreas Weber: Wir weichen damit vom üblichen Weg ab. Meist schreibt man einen Projektantrag und hofft, finanzielle Mittel einwerben zu können. Wir gehen jedoch den umgekehrten Weg und starten mit Eigenmitteln. Das zeigt, dass wir vom Erfolg unserer Kooperation fest überzeugt sind.    

 

Bleibt die Kooperation auf IPK und CEPLAS beschränkt oder sind Sie offen für neue Partner?

Andreas Weber: Zum einen sind ja schon heute über CEPLAS mehrere Partner involviert. Zum anderen sollten wir uns zunächst darauf konzentrieren, erste realisierbare Projekte anzugehen, die dann als erfolgreiche Beispiele für die Leistungsfähigkeit der Kooperation dienen können. Mittelfristig sind wir aber offen für weitere Partner. Die Fragen, die wir in der Pflanzenforschung beantworten müssen, sind einfach zu groß. Das ist nur in Kooperation mit vielen, auch internationalen Partnern, möglich. 

 

Wie können sich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in die Kooperation einbringen? Und wie können sie davon profitieren?

Andreas Graner: Promovierende profitieren von dem Graduiertenprogramm. Und neben der gemeinsamen Summer School gibt es mit der Plant Science Student Conference, die unser PhD Student Board gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Biochemie in Halle organisiert, eine weitere Möglichkeit für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sich wieder auszutauschen und eigene Netzwerke aufzubauen. Nach mehr als zwei Jahren mit Corona halte ich es für ganz wichtig, dass gerade junge Leute am Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn wieder aktiv kommunizieren - nicht nur mittels Videokonferenzen. 

 

Als Dach, unter dem die Zusammenarbeit zwischen IPK und CEPLAS stattfindet, soll ein „Center for Translational Plant Biodiversity Research“ etabliert werden. Was genau soll dort erforscht werden?

Andreas Graner: Wie der Name ausdrückt, werden in dem Zentrum Fragestellungen aus dem Bereich der Biodiversitätsforschung bearbeitet, die sich von der reinen Grundlagenforschung bis hin zu angewandten Fragestellungen, z.B. die Pflanzenzüchtung betreffend, erstrecken. 

Andreas Weber: Unser Ziel muss sein, die Biodiversität besser zu verstehen. Im Kern geht es um die Frage, wie sich Variationen in der DNA-Sequenz in unterschiedlichen Umwelten auf die Merkmale und Eigenschaften auswirken. Leider haben wir in der Biologie, anders als in der Physik, nur wenige theoretische Grundlagen. Unsere Vision muss es aber sein, anhand der jeweiligen DNA Vorhersagen zu Merkmalen und Eigenschaften treffen zu können. Damit würden wir bei der Entwicklung neuer Sorten mehrere Jahre an Zeit gewinnen.

 

Die Herausforderungen sind nicht nur durch den fortschreitenden Klimawandel und die wachsende Weltbevölkerung sehr groß, zugleich aber ist das Zeitfenster, in dem wichtige Veränderungen auf den Weg gebracht werden können, nicht mehr lange offen. Wie groß ist der Handlungsdruck aus Ihrer Sicht?

Andreas Weber: Der Handlungsdruck ist enorm, und die Zeit, die wir haben, wird immer knapper. Um es ganz krass zu formulieren: die Hütte brennt eigentlich schon. Wir haben Regionen bei uns in Nordrhein-Westfalen, in denen die Erwärmung in den vergangenen 50 Jahren bereits über 1,5 Grad Celsius lag. All dies hat dramatische Auswirkungen auf die Wettermuster. Auf der einen Seite gibt es immer öfter Starkregen und Fluten, auf der anderen Seite erleben wir wochenlange Trockenheit. Für die Pflanzenforschung und die Züchtung bedeutet das, dass die Zeiträume für die Entwicklung neuer Sorten künftig keinesfalls mehr zehn Jahre oder mehr betragen können. Wir brauchen auf jeden Fall schnellere Lösungen.      

 

Was sind dann hoffnungsvolle Ansätze, die aus Ihrer Sicht weiterverfolgt werden sollten? Und wie kann die Forschung ganz konkret der Landwirtschaft helfen und einen Beitrag zur nachhaltigeren Nahrungsmittelproduktion leisten?

Andreas Graner: Wir haben bisher einen starken Fokus auf Kulturpflanzen wie Gerste und Weizen gelegt, die auch wirtschaftlich eine große Bedeutung haben. Das reicht jedoch nicht mehr aus, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden zu können. Wir müssen uns daher verstärkt auch Pflanzen zuwenden, die bisher noch keine große ökonomische Bedeutung haben. Wir brauchen eine vielfältigere und nachhaltigere Landwirtschaft. Dafür gilt es, auch Fruchtfolgen und Nährstoffkreisläufe noch intensiver zu untersuchen. Unser Ziel ist es, die genetische Vielfalt der Kulturpflanzen in ihrer zeitlichen, räumlichen und funktionellen Dynamik zu verstehen und für die züchterische Verbesserung nutzbar zu machen.

 

Auch in der Pflanzenforschung spielen Big Data eine immer größere Rolle. Inwieweit schlägt sich das in der Kooperation nieder?

Andreas Weber: Um es klar zu sagen: Wir können unsere ehrgeizigen Ziele nur mit Big Data erreichen. Und in dem Bereich ist am IPK in den vergangenen Jahren wirklich hervorragende Pionierarbeit geleistet worden. Dies spielt für die Arbeit des „Centers for Translational Plant Biodiversity“ eine entscheidende Rolle.

 

Im internationalen Rahmen geht es oft um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und den Green Deal der Europäischen Union. Inwieweit setzen diese beiden Vorgaben auch den Rahmen für die Kooperation von CEPLAS und IPK?

Andreas Graner: Unser Anspruch ist es, Erkenntnisse unserer exzellenten Grundlagenforschung mit relevanten, gesellschaftlichen Fragen und Herausforderungen zusammenzuführen. Es geht darum, innovative Ansätze für die Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen und Zielstellungen zu entwickeln, wie sie von der FAO, der EU oder dem IPBES formuliert wurden und die für uns natürlich eine Richtschnur sind. Und wir sind sehr zuversichtlich, einen substantiellen Beitrag leisten zu können.

 

Im Vergleich zu anderen Bereichen, wie der Medizin, gilt die Pflanzenforschung eher als Nischenbereich. Wird die Bedeutung der Pflanzenforschung zunehmen?

Andreas Weber: Da würde ich Ihnen widersprechen. Die Pflanzenforschung war niemals eine Nischendisziplin - zumindest was die Bedeutung und die Wahrnehmung angeht. Sie haben allerdings Recht, was die Rolle der Pflanzenforschung in der Forschungsförderung angeht. Da ist unsere Disziplin in Deutschland massiv unterfinanziert. Deshalb wollen wir auch ein Zeichen setzen und das Bewusstsein für die Bedeutung der Pflanzenforschung schärfen.

 

Kurze Version des Interviews im Video: