Was mich im Moment vor allem interessiert ist die Verteilung von Ressourcen. Eine Pflanze oder eine Bakterienzelle können nur eine begrenzte Menge von Eiweißen und anderen wichtigen Komponenten herstellen. Was ist die – im Sinne der natürlichen Auslese – theoretisch beste Verteilung, und in wieweit stimmt die tatsächliche Ressourcenverteilung damit überein? In unseren Modellen versuchen wir alles zu berücksichtigen, von dem wir vermuten, dass es für diesen Vergleich besonders wichtig ist. Durch den Abgleich mit der Realität können wir einerseits verstehen, welche wichtigen Faktoren wir eventuell nicht berücksichtigt haben. Andererseits können wir lernen, ob unsere Vorstellung davon richtig ist, wie die natürliche Auslese die Evolution dieser Organismen beeinflusst hat.
Bis zum Ende meiner Promotion habe ich mich mit theoretischer Physik beschäftigt. Nachdem ich Richard Dawkins‘ Buch „The Selfish Gene“ gelesen hatte, wollte ich das dabei Gelernte aber auf biologische Fragestellungen anwenden. Ich unterhielt mich in Cambridge mit den dortigen theoretischen Biologen und folgte schließlich Laurence Hurst an die Universität Bath in Südengland. Laurence war einer der ersten, der konsequent die gerade aufkommenden Genomdaten benutzte, um evolutionäre Fragen zu beantworten. Für Informatik per se habe ich mich nie besonders interessiert – sie ist ein Werkzeug, das ich sowohl in der Physik als auch später in der Biologie genutzt habe. In der „Computational Biology“ ist es wichtig, dass man die Biologie sehr gut versteht, man muss wissen, was genau man berechnen oder simulieren möchte. Die Umsetzung mit Hilfe der Informatik ist dann reine Technik.
Wir haben mit „Quantitative Biology“ einen Studiengang eingeführt, der gleichzeitig radikal neu und längst überfällig war. Die ersten Studierenden fangen in wenigen Wochen an; sie werden Biologie nicht in historisch gewachsenen Blöcken – etwa Mikrobiologie und Botanik – lernen, sondern sich von Anfang an mit den grundlegenden Prinzipien und den Gemeinsamkeiten des Lebens beschäftigen. Wir möchten die Studierenden optimal auf Tätigkeiten in der modernen biologischen und medizinischen Forschung vorbereiten. Dafür ist unter anderem der professionelle Umgang mit großen Datenmengen und die Analyse von Computermodellen wichtig: Themen, die in traditionellen Biologiestudiengängen nur am Rande vorkommen.
Das Faszinierende an der Biologie ist, dass es so viele spannende Fragen gibt, die noch auf ihre Beantwortung warten. Wenn ich mir eine aussuchen könnte, dann wohl die, an der wir derzeit arbeiten: Können wir die Ressourcenverteilung einer Zelle verstehen, allein auf der Grundlage der uns bekannten Prinzipien der Physik und der Biochemie (vor allem die Kinetik enzymatischer Reaktionen) und anhand dessen, was wir über den natürliche Selektionsdruck wissen, der auf die Zelle eingewirkt hat?
Vor allem verbringe ich gerne Zeit mit meiner Familie und mit Freunden. Außerdem mache ich gerne Musik. Seit ca. zwei Jahren beschäftige ich mich außerdem gemeinsam mit meinem Freund und Kollegen Itai Yanai mit einem Projekt zur Kreativität in den Naturwissenschaften – wir sprechen z.B. in unserem „Night Science“-Podcast mit internationalen Kolleginnen und Kollegen über deren kreativen Prozesse.